Musik

Eine Band wie ein Haus: Silly macht weiter mit zwei Neuen

today14. September 2021 86

Hintergrund
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Silly war eine der bekanntesten Bands der DDR. Sie schaffte es, später nicht in der Ostalgie-Schublade versenkt zu bleiben. Das lag auch an Frontfrau Anna Loos. Die Zeit mit ihr ist vorbei. Was kommt jetzt? Von Caroline Bock

Zu DDR-Zeiten lauerte die Zensur, sogar der englische Name brachte der Band Silly anfangs Ärger. Es gab Liebeschaos in der Band. Und Schicksalsschläge: Frontfrau Tamara Danz starb früh an Krebs, mit 43. Nach dem Mauerfall wurde die Musik von Silly einige Zeit in die Ostalgie-Schublade gesteckt, viele wollten lieber Englisches hören. Dann kam die Zeit mit Anna Loos, aber die ist vorbei, so wie eine Beziehung endet.

2019 hat ein Kapitel mit zwei neuen Sängerinnen begonnen: AnNa R. (51), früher eine Hälfte von Rosenstolz, und Julia Neigel (55), deren größter Hit «Schatten an der Wand» ist. Mit den beiden ging die Band auf Tour – dazu erscheint ein Album mit zehn Remakes und drei neuen Liedern.

Unweigerlich ist es auch ein Denkmal für Tamara Danz mit Klassikern wie «Die wilde Mathilde» und «So’ne kleine Frau». Die Stimmen der beiden Neuen passen. Beim neuen Lied «Werden und Vergehn» werden auch die Rosenstolz-Fans die Wunderkerzen schwenken. «Unter’m Asphalt» ist ein Silly-Hit aus der zweiten Reihe. Wave, das gab es auch in der DDR und klingt heute noch gut.

In einem MDR-Dreiteiler wurde gerade noch einmal deutlich, was für eine Legende Danz im Osten ist und was für eine filmreife Geschichte die Band seit Ende der 70er Jahre mitmachte, zwischen Ost und West, wo sie der Fotograf und Manager Jim Rakete früh entdeckte. Er staunte, wie viel Pathos sich die Band auf der anderen Seite der Mauer traute.

Und es gab Liebesrochaden: Auf einem Foto sieht man, wie Gitarrist Uwe Hassbecker und Keyboarder Ritchie Barton den Sarg von Tamara Danz tragen, der eine der Lebenspartner, der andere der Ex-Freund. Vor ihrem Tod wünschte sich Danz, dass mit ihr nicht auch noch die Band stirbt, wie Bassist Jäcki Reznicek (67) in der Doku erzählt.

Die Musiker machten weiter, die Rocker-Frisuren blieben. Lange Haare, Männerschmuck, drei freundliche und unprätentiöse Kumpel: So posieren sie fürs Foto am Berliner Gendarmenmarkt. In seiner Wohnung kocht Hassbecker den Kaffee für die Gäste selbst.

Die Musiker haben erlebt, was viele Ostdeutsche kennen: DDR-Karrieren zählten nach dem Mauerfall nur noch wenig, egal ob systemtreu oder nicht. Mit der Herablassung gegenüber Silly ist es «weitgehend» vorbei, wie Barton (67) sagt. «Das war in den 90er Jahren so, im Übrigen sehr häufig von im Osten sozialisierten Journalisten. Das war schon merkwürdig.» Heute sei der Fanclub bunt gewürfelt: Ost, West, Nord und Süd.

Die Fans wachsen nach. «Vorne sind bei Konzerten die jüngeren, nach hinten wird es dann älter», sagt Barton. «In der etwas älteren Generation ist es so, dass die Leute meistens DDR-Vergangenheit haben, selbst wenn sie vielleicht seit etlichen Jahren im Westen leben. Wir hören von Leuten aber auch immer wieder: Ich habe euch nicht gekannt, bis jetzt, dann sind sie ganz begeistert, als hätten wir gestern angefangen, Musik zu machen.»

Sängerin und Schauspielerin Anna Loos war für die Band ein Türöffner für ein Publikum, das Silly nicht kannte. Mittlerweile geht Loos musikalisch eigene Wege. Wird es ein Comeback mit ihr geben? Hassbecker (61) sagt: «Es ist im Moment kein Thema. Sie ist glücklich mit dem, was sie macht. Wir sind glücklich mit dem, was wir jetzt machen. Wir hatten eine gute Zeit miteinander, zwölf Jahre. Und manchmal ist es eben dann genug. Beziehungen gehen manchmal auch auseinander. Das ist ja so was wie eine Beziehung.»

Gerade hat die Band nach der Corona-Zwangspause im sächsischen Bad Elster das erste Konzert seit fast zwei Jahren gespielt. Das Bangen, ob die Herbst-Tour wie geplant stattfinden kann, bleibt. Hassbecker sagt, Corona werde mit Sicherheit Biografien umschreiben. «Es wird sich sehr vieles ändern. Es werden sehr viele Leute rausgehen aus dem Job. Es stellt vieles in Frage, was in unserer Branche passiert.» Für ihn sei es gar nicht leicht gewesen. «Es stellt unsere Existenz als Musiker in Frage.»

Ob die Pandemie eines Tages in die Musik einfließt, wird laut seinem Bandkollegen Barton wahrscheinlich ähnlich sein wie in den frühen 90ern. «Da konnten wir auch nicht sofort die neue Situation reflektieren und umsetzen.» Gerade gehe es nicht nur um die Geschichten, die mit Corona zusammenhängen, sondern allgemein die politischen Lagen. «Afghanistan überschattet Sachen wie Corona. Da stellen sich Fragen in Richtung Politik, die müssen erst mal beantwortet werden.»

Im August riefen Bands wie Die Ärzte und Tocotronic auf, sich impfen zu lassen. Barton sagt, Silly habe diskutiert, bei der Aktion mitzumachen. «Da sind natürlich Wahrheiten drin, die man unterschreiben kann. Es war uns aber zu zugespitzt auf die Branche.» Hassbecker sagt: «Wir konnten uns nicht einigen. Es ist natürlich ein Akt der Solidarität mit allen Menschen, nicht nur mit Musikern oder Leuten aus der Branche, sondern eben auch mit den Kindern, wenn man sich als Erwachsener impfen lässt.»

Auf dem Cover des neuen Albums «Instandbesetzt» ist ein stilisiertes Haus zu sehen. Es erinnert an den Stammsitz der Band im brandenburgischen Münchehofe. Für Hassbecker ist es eine Art Gleichnis zur Band. «Ein Haus, was ein bisschen in die Jahre gekommen ist, auch schon ein paar Dellen und geplatzte Ecken hat. Aber mit einer schönen warmen Atmosphäre, einem knarrenden Parkett und luftigen Räumen. Und mit Leuten, die wechseln, die ein und ausgehen und sich gegenseitig und das Haus instandbesetzen.»

Geschrieben von: MK

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