Wie Brandenburgs Städte mit strittigen Ehrenbürgern umgehen

Auch in Frankfurt (Oder) war viele Jahre Adolf Hitler Ehrenbürger.

Gestern noch verehrt, heute umstritten: Manche Ehrenbürger sorgen in Brandenburger Kommunen für Diskussionen. Dabei gehen die Städte und Gemeinden unterschiedlich mit der Problematik um. Von Oliver Gierens

Es ist die höchste Auszeichnung, die eine Stadt oder Gemeinde einem Menschen verleihen kann: Die Ehrenbürgerschaft. Wer sich um eine Kommune besonders verdient gemacht hat, beispielsweise als Politiker, Künstler oder auch Sportlerin, kann diese Ehre erhalten. Personen, die einst ausgezeichnet wurden, können heute aber als umstritten oder gar kriminell gelten. Die Kommunen in Brandenburg gehen mit der Problematik unterschiedlich um, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab.

So hat die Landeshauptstadt Potsdam in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Ehrenbürgschaften aberkannt, die alle in der NS-Zeit verliehen wurden. 1990 wurden Adolf Hitler, Hermann Göring und NS-Reichsinnenminister Wilhelm Frick von der Liste gestrichen. 2021 kochte die Diskussion wieder hoch, als bekannt wurde, das die später nach Potsdam eingemeindete Stadt Babelsberg im Jahr 1938 auch NS-Propagandaminister Joseph Goebbels zum Ehrenbürger gemacht hatte.

Die Landeshauptstadt zog gleich mehrere Konsequenzen: Sie erkannte nicht nur Goebbels posthum die Ehrenbürgerwürde ab, sondern strich auch den ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg von der Liste, von dem sie sich bereits 2013 distanziert hatte. Eine neue Satzung über die Verleihung des Ehrenbürgerrechts von 2021 sieht überdies vor, dass die Ehrenbürgerwürde mit dem Tod der Person erlischt.

Wegen der Aberkennungen der Ehrenbürgerschaften gibt es in Potsdam derzeit nur zwei Ehrenbürger: Die Schriftstellerin Helga Schütz sowie den Unternehmer und Kunstmäzen Hasso Plattner.

Die Stadt will den Umgang mit den früheren Ehrenbürgern wissenschaftlich aufarbeiten lassen. Doch bisher ließ sich kein Experte finden, der die Arbeit übernehmen will. Auf dpa-Anfrage sagte ein Stadtsprecher, die Akquise eines Experten solle im Zusammenwirken mit dem Fachgremium Erinnerungskultur im Herbst dieses Jahres erfolgen. Das Projekt soll klären, wie heute grundsätzlich mit einstigen Ehrenbürgerschaften umgegangen werden soll.

Denn die Debatte ist vielschichtig: Nicht nur NS-Verbrecher, auch der preußische Generalfeldmarschall Friedrich von Wrangel, ist als früherer Ehrenbürger Potsdams strittig. Von Wrangel galt als jovial und volksnah, bekämpfte aber auch die demokratische Revolution von 1848 in Berlin. Ganz anders ist der Umgang mit ihm in Rathenow (Havelland). Dort ist der volkstümliche General immer noch Ehrenbürger – ganz ohne kontroverse Diskussionen, wie Pressesprecherin Anne Kießling bestätigt.

In Frankfurt (Oder) wurden Hindenburg, Hitler und Kube sowie der frühere NS-Politiker Karl Litzmann bereits 1990 von der Ehrenbürgerliste gestrichen. Seitdem sind zu den aktuell 28 Ehrenbürgern einige neue Namen hinzugekommen, darunter im Jahr 1995 Ex-Boxweltmeister Henry Maske.

Seit 1995 Ehrenbürger der Stadt Frankfurt (Oder): Henry Maske mit Trainer Manfred Wolke 1983 beim Chemiepokal
© Foto: Bundesarchiv Seit 1995 Ehrenbürger der Stadt Frankfurt (Oder): Henry Maske mit Trainer Manfred Wolke 1983 beim Chemiepokal

Während die Zahl der Potsdamer Ehrenbürger nunmehr auf zwei Personen geschrumpft ist, hat Brandenburg an der Havel eine erheblich längere Liste. Darunter sind auch Vicco von Bülow alias Loriot, der 1923 in der Stadt geboren wurde und 2011 in Bayern starb. Sowie Zeitgenossen wie der Berliner Altbischof Wolfgang Huber oder die ebenfalls in Brandenburg geborene Kanutin und mehrfache Olympiasiegerin Birgit Fischer.

Auch die Havelstadt hat sich 2013 von Hindenburg als Ehrenbürger distanziert und zuvor 1991 Adolf Hitler und Gauleiter Wilhelm Kube sowie dem Kommunisten Ernst Altenkirch die Ehrenbürgerwürde aberkannt.

Einen ganz eigenen Weg geht die Stadt Cottbus: Sie verleiht seit 1990 überhaupt keine Ehrenbürgerschaften mehr, sondern eine Ehrenmedaille, die seit 1995 für außergewöhnliche Verdienste um das Gemeinwohl vergeben wird. Bis heute haben nach Angaben der Stadt 51 Personen diese Medaille erhalten.

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