Vom Osten lernen: Wo entsteht das Zukunftszentrum Deutsche Einheit?

So hätte der Bau des Zukunftszentrums aussehen können...

Fünf ostdeutsche Städte bewerben sich als Sitz der neuen Institution, die die Erfahrungen der Vereinigungsjahre würdigen und Lehren für die Zukunft ziehen soll. Nächste Woche soll die Entscheidung fallen.

Mauer weg, Staat weg, Job weg – für Millionen Menschen im Osten war die deutsche Vereinigung 1990 der vielleicht tiefste Einschnitt im Leben. Umgekehrt heißt das für viele: Uns kann so leicht nichts mehr aus der Bahn werfen. Wie kann diese Erfahrung helfen beim nächsten großen Umbruch – in der Klimakrise, im Konflikt mit Russland oder bei der Wahrung der Demokratie? Das neue Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation soll den Erfahrungsschatz heben.

Nächsten Dienstag soll eine Jury über den Sitz der neuen Institution beraten. Fünf Bewerbungen von Städten im Osten sind im Rennen. Nach einem Architekturwettbewerb soll bis 2028 ein «Gebäude mit einer herausgehobenen modernen Architektur» für bis zu 200 Millionen Euro gebaut werden. Für den Betrieb sind 40 Millionen Euro im Jahr vorgesehen. Soweit die Eckdaten. Der Ostbeauftragte Carsten Schneider nennt das Zentrum «eines der wichtigsten Projekte für die Festigung der Deutschen Einheit und des Zusammenhalts in Europa».

Wenig greifbar ist aber bisher, wie das neue Haus genau arbeiten wird. «Hier sollen die Bedingungen für eine Transformation von Wirtschaft und Gesellschaften erforscht und Lebensleistungen gewürdigt werden», schreibt die Bundesregierung. «Das Zentrum bietet Raum für Kultur, Dialog und lebendige Diskussionen.» So dürften die Konzepte der Bewerberstädte entscheidend sein, was genau daraus wird, was Wissenschaft und Bürger davon haben. Die Bewerber:

Frankfurt an der Oder
Unsere Oderstadt schöpft aus ihrer Erfahrung mit den Um- und Wegbrüchen der 1990er Jahre und der Nähe zu Polen. Sie sieht sich «in der Mitte Europas». «Diese Stadt sehnt sich auch nach ein bisschen Rückkehr in die Bedeutung, die wir mal hatten und das Heilen von Wunden», so Oberbürgermeister René Wilke. Tausende Arbeitsplätze gingen nach dem Mauerfall verloren, die Zahl der Einwohner sank von rund 90 000 auf heute rund 58 000. Wichtig sind die europäisch ausgerichtete Viadrina-Universität und das Brandenburgische Landesmuseums für moderne Kunst. Für das Zukunftszentrum ist ein 18 000 Quadratmeter großes Areal an der Stadtbrücke nach Polen vorgesehen, Architektur-Ideen gibt es auch. Frankfurt habe als einziger Bewerber die Bürger beteiligt, sagt der OB.


Leipzig und Plauen
Das Bewerberduo aus Sachsen will Brücken zwischen Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit schlagen. Leipzig mit rund 590 000 Einwohnern läuft im Tandem mit Plauen, einer Stadt im Vogtlandkreis mit rund 63 000 Menschen. Ein Zukunftszug soll die beiden Städte verbinden und Bürgern die Idee des Zukunftszentrums näher bringen. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) findet, das Besondere der gemeinsamen Bewerbung sei die Spannung zwischen dem ländlichen Raum und der Metropole. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) betonte zuletzt die geschichtliche Rolle Sachsens: «Hier hat die friedliche Revolution stattgefunden.» Leipzig sei zudem führender Wissenschafts- und Forschungsstandort.

Halle an der Saale
Wissenschaft ist auch für Halle an der Saale in Sachsen-Anhalt zentraler Pluspunkt, hat doch die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina ihren Sitz in der 240 000-Einwohner-Stadt. Da gebe es einen thematischen Bezug zu den Inhalten des Zukunftszentrums, betont man in Halle. Hinzu komme die Vielfalt der Kultureinrichtungen. Beides – Wissenschaft und Kultur – soll vernetzt werden. Punkten will die Stadt auch mit ihrer zentralen Lage in Mitteleuropa und der Nähe zu den Flughäfen Leipzig und Berlin. Mit diesen Argumenten setzte sich die Stadt im eigenen Land gegen Magdeburg, Dessau-Roßlau und Wittenberg durch und erhielt Rückendeckung von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU).

Jena
Jena in Thüringen rechnet sich ebenfalls beste Chancen aus – «sowohl im Vergleich mit Städten anderer Bundesländer als auch im thüringenweiten Vergleich», wie es Bürgermeister Thomas Nitzsche sagt. Die Stadt mit 110 000 Einwohnern ist die zweitgrößte des Freistaats. Sie verweist auf ihre internationalen Netzwerke und Kooperationen in Wirtschaft und Wissenschaft. Jena will das Zukunftszentrum in der Stadtmitte platzieren. Die Jenaer Universität, die bei der Bewerbung mit an Bord ist, sei eines der führenden Zentren der Transformationsforschung und habe besondere Expertise in den Sozial- und Geisteswissenschaften, hieß es. Eine starke Zivilgesellschaft habe «aus zentralen Umbrüchen einen Aufbruch in eine erfolgreiche Nachwendeentwicklung ermöglicht».

Eisenach
Thüringen ist als einziges Bundesland mit einer zweiten Bewerbung am Start: Auch Eisenach bringt seine Erfahrungen mit dem tiefgreifenden Wandel als Industrie- und Arbeiterstadt ein. «Transformation sollte dort erforscht werden, wo sie am stärksten erlebbar ist», wirbt die westthüringische Stadt mit 42 000 Einwohnern für sich. Das Zukunftszentrum würde mitten in der Stadt «nah an den Menschen und ihren Problemen» auf dem Gelände eines ehemaligen Automobilwerks entstehen. Im Verbund mit dem sozialwissenschaftliche Netzwerk der Universitäten Erfurt und Fulda will sich Eisenach als Wissenschafts- und Forschungsstandort etablieren. Als Pluspunkt nennt Eisenach die schnelle Erreichbarkeit aller wichtigen Ballungszentren. Im landesinternen Wettbewerb zog Eisenach allerdings den Kürzeren: Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) stellte sich hinter Jena.

© 91.7 ODERWELLE mit Material von dpa

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